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Freitag, 15. Juli 2016

R.I.P.X.



Eigentlich hatte ich mich schon fast daran gewöhnt: Marvel startet nach nur 3 Jahren sein komplettes Universum neu. Nach Marvel NOW! nun der nächste Reboot. Immerhin scheint ja das Wörtchen Reboot das Wundermittel gegen alles zu sein. Ob es um Kinoblockbuster für den Sommer, Serien, Videospiele oder eben Comics geht- alles muss neu und besser gemacht werden.

Als also nach Secret Wars der Tod des bisherigen Marveluniversums angekündigt wurde, habe ich mich noch auf so manche neue Chance gefreut, Serien aufzuwerten, die bis dato etwas ins Hintertreffen geraten sind. Doch bereits im deutschen Heftchenmarkt wurde angedeutet, das hier für einige Schluss ist. Zum Beispiel die großartige Thorserie, die mich gerade wegen der weiblichen Donnergöttin ziemlich interessiert hat. Ein Handlungsbogen, der nun klanglos unterging und keine weitere Fortsetzung bekommt.
Als ich dann die Nachricht aus den USA hörte, wurde es noch schlimmer! Man stellt die X-Men ein!

Nach dem Tod von Wolverine, dem Zugpferd der Mutantengruppe, deutete sich bereits an, dass sich Marvel nicht mehr wirklich um die Gunst der Leser bemüht. Hier ging es hauptsächlich darum, 20th Century Fox keine Zuschauer zu generieren. Nicht, dass einer noch auf die Idee kommt, ins Kino zu gehen und X-Men Filme zu schauen, bloß weil man zuvor viele Dollar für die Comics bezahlt hat. Das auch ein Kinogänger freudig die Comics für sich entdecken könnte, kam dem Haus der (schlechten) Ideen nicht in den Sinn.
Tatsächlich teilt man einige X-Men nun anderen Teams wie den Avengers zu. Glück für Fans von Storm und Beast. Der Rest geht in Comicrente oder wird in zweitklassige Gruppen aufgeteilt, von denen die Serien die ersten 12 Ausgaben nicht überstehen werden.
Doch was bedeutet es, wenn die X-Men aus politischen Gründen die Bühne verlassen?
Nun, sie waren das einzige Comic der Marvelschöpfer, die echte gesellschaftliche Probleme ansprachen. Fremdenhass, Diskriminierung, Solidarität und Nächstenliebe waren Schlagwörter in der Serie. Mutanten standen bereits in den 60er Jahren sinnbildlich für die diskriminierte schwarze Bevölkerung in den USA.

Später waren es die Homosexuellen, die durch die X-Men Bestätigung fanden. So war es San Fransisco,
eine Hochburg der amerikanischen Homosexuellen, welches nun auch zum Sitz der neuen Schule für junge Mutanten wurde. Kein Zufall. Außerdem waren es zwei männliche X-Men, die sich zum ersten mal das Ja- Wort gaben. Ganz große Geste!
Und wenn man an den Anschlag auf einen Schwulenclub in Orlando denkt oder die Flüchtlingsdebatte in Europa, dann weiß man, dass es mehr Geschichten über die X-Men geben sollte.

Stattdessen stellt man die Serie ein, die es noch verstanden hatte, an den Holocaust zu erinnern oder zu zeigen, wohin uns Fremdenhass jederzeit bringen kann.
Die X-Men waren keine Helden, sie waren Lehrer und Schüler. Sie waren menschlich. Keine Supersoldaten, Götter oder Gammamonster. Sie veränderten sich in der Pubertät und wurden seitdem von seltsamen, einzigartigen Kräften überwältigt, die ihnen weder Ruhm noch das Heldendasein, sondern vielmehr Hass und Feindseligkeit entgegenbrachten. Doch damit ist jetzt Schluss.

Für mich geht die beste Comicserie in den Ruhestand. Auch wenn es in den letzten Jahren wenig tolle Geschichten gab, so waren es die Helden meiner Kindheit. Meine Freunde,
meine Familie. Ich hatte, wenn auch nur in meinen Gedanken, einen Platz, wo ich akzeptiert wurde. Die Xavierschule für begabte Jugendliche.

Und damit geht einer der wenigen Gründe, dem Geschehen von Marvel noch zu folgen. Ich werde mich dann lieber auf DC konzentrieren, die nicht einfach die Justice League einstellen, weil ihnen mal danach ist.